Patientin (36)

Erfahrungsbericht einer Morbus-Hodgkin-Patientin

(März 2016)

Hodgkin Lymphom - ein Erlebnisbericht

Bei mir wurde im Frühjahr 2015 Hodgkin Lymphom (Stadium IV) diagnostiziert. Jetzt, ein Jahr später, habe ich die Chemotherapie schon seit einem halben Jahr hinter mir, kann davon ausgehen geheilt zu sein und erhole mich zusehends von der Erkrankung und der Therapie.

Für mich kam diese Diagnose nach zwei sehr anstrengenden Jahren, emotional (privat) wie arbeitsbedingt. Ich fühlte mich zunehmend erschöpft, aber wen wunderte das. Doch auch als alles entspannter wurde, die Krise überstanden schien, kam die Energie nicht zurück. Im Gegenteil, an dem Punkt an dem ich wieder so richtig durchstarten wollte, spielte meine Gesundheit nicht mehr mit. Es fing an mit schrecklichen Rückenschmerzen, dann kamen fieberhafte Infekte dazu, nach denen ich mich nicht mehr erholte, ich war immer müde, massiv müde und mehr schlafen brachte keine Besserung. Ich litt unter starkem Nachtschweiß. Da ich aber auch auf die Schmerzmittel, die ich gegen die massiven Rückenschmerzen nahm mit Schweißattacken reagierte, wusste ich lange nicht sicher auf was der Nachtschweiß zurückzuführen ist. Letztlich war es eines der typischen B-Symptome, wie man das so schön nennt, die auf eine Lymphom-Erkrankung hindeuten können.

Beim zweiten Infekt ging ich wieder zur Ärztin und die bemerkte meine viel zu hohen Entzündungswerte und überwies mich zu einer Fachärztin für Hämatologie und Onkologie. Ich verdanke ihr und der Fachärztin mein Leben. Nie im Leben hätte ich mit der Diagnose Krebs gerechnet.

Beim ersten Termin bei der Fachärztin für Hämatologie und Onkologie, machte Sie einen Ultraschall und es wurde klar, dass so einige Lymphknoten in meinem Oberkörper stark vergrößert waren. Vor allem einer am Hals war sogar von außen sichtbar. Er war mir trotzdem zuvor nicht wirklich aufgefallen. Es fiel das erste Mal das Wort Lymphom, es könnte eines sein, um es auszuschließen müssten diese und jene Untersuchungen folgen... Auf allen Überweisungszetteln die ich bekam für alle Untersuchungen die nun folgten, stand etwas von B-Symptomen und der bitte um Überprüfung von diesem und jenem. Danach folgte ein CT in dem klar wurde, dass das Ergebnis des Ultraschalls nochmal bestätigt und verfeinert wurde. Außerdem sah es so aus, dass der größte Lymphknoten hinter meinem Brustbein war, von außen und auch im Ultraschall nicht sichtbar, für das Hodgkin Lymphom aber durchaus typisch. Es wurden Lymphknoten entnommen. Ich musste zum HNO-Arzt, ich wurde auf alle möglichen Viruserkrankungen getestet, die auch zur Vergrößerung von Lymphknoten führen können. Das alles zog sich über Wochen hin.

Bis zum Schluss hielt ich einen Virusinfekt der etwas länger zum Abklingen braucht für viel wahrscheinlicher, vor allem da in Folge der langen Untersuchungen bis zur Diagnose Wochen vergingen in denen ich bereits krankgeschrieben war und ich mich zusehends erholte. Außerdem gab es keinerlei erbliche Vorbelastung. Mehr Ruhe, mehr Seele baumeln lassen, entspannende Spaziergänge und der abklingende akute Infekt. Allerdings erholte ich mich zugegebenermaßen nicht zur alten Form.

Trotzdem, selbst als ich das Arztzimmer nach der letzten Voruntersuchung betrat rechnete ich fest mit einer entlastenden Diagnose. Ich dachte erst ich hätte mich verhört, Hodgkin Lymphom, und dann liefen meine Gedanken Sturm und ich konnte gar nicht wirklich zuhören, was die Ärztin mir da erzählte. Ihre einleitenden Worte zur Diagnose waren, dass das Ziel die Heilung ist, dass es ganz wichtig ist, dass ich das immer vor Augen habe, das Ziel ist sie werden wieder gesund. Ich fand das irgendwie komisch, da ich dachte, das wäre immer das Ziel. Mittlerweile weiß ich, was sie damit meinte und welch unterschiedliche Prognosen es für unterschiedliche Lymphome gibt. Wie mein behandelnder Arzt es so treffend ausdrückte „Sie haben sich aus dem Scheißehaufen die Rosine rausgepickt!“.

Nach der Diagnose stellte sich die Frage, wo ich die Behandlung durchführen lassen wollte. Ich kann die ganzen Krebsratgeber aus der blauen Reihe nur empfehlen. Darin fand ich den Link zur weißen Liste im Internet. Das ist ein Vergleichsportal in dem man gezielt Krankenhäuser auf ihre Erfahrung und Bewertung in Bezug auf bestimmte Krebserkrankungen suchen kann.

Insgesamt ist meine Erfahrung, dass man als Krebspatient eine Sonderstellung hat und dass Ärzte und Schwestern sehr bemüht sind einem jeden zusätzlichen Stress abzunehmen. Es herrscht ein entspanntes, fürsorgliches, Klima bei der Aufnahme, auf der Station, in der Ambulanz. Ich habe mich von meinen behandelnden Ärzten ernst genommen gefühlt und sie haben mir genügend Zeit gegeben für meine Fragen. Es ist bei dieser Erkrankung sehr wichtig, dass man seinen Ärzten vertraut und das Gefühl hat offen mit ihnen reden zu können, ernst genommen zu werden.

Die nun folgenden 5 Monate waren geprägt durch den Zyklus der Chemotherapie, wo die Therapiegabe (8 Tage) und die anschließende Wirk- und Erholungsphase sich abwechseln. Ich wurde nach der Standardtherapie die durch die Hodgkin-Gesellschaft empfohlen wird für Hodgkin Lymphom Stadium IV behandelt (BEACOP eskaliert, 6 Zyklen von je drei Wochen).
Mein behandelnder Arzt empfahl mir für den ersten Zyklus einen stationären Aufenthalt, um eng begleiten zu können, wie die Therapie bei mir und auf mich wirkt, wie meine Blutwerte verlaufen und wie die Mittel gegen die Nebenwirkungen eingestellt werden müssen. Danach wurde ich immer für die ersten drei Tage des Zyklus stationär aufgenommen, der Rest (die Blutwertekontrolle und Tag 8) konnte ambulant durchgeführt werden.
Der erste Zyklus war schrecklich! Ich reagierte sehr stark mit Übelkeit, außerdem gingen meine Blutwerte extrem in den Keller und ich war fast eine Woche praktisch ohne körpereigene Abwehr! Ich hatte Zwischenblutungen und meine Haare gingen schon nach zwei Wochen büschelartig aus.
Die gute Nachricht ist, dass die Einstellung der Mittel gegen Übelkeit schon beim nächsten Zyklus sehr viel besser war und im Laufe der Therapie hatte ich kaum noch Probleme damit. Dafür nahmen andere Nebenwirkungen zu. Ich reagierte zum Beispiel immer mehr auf den Tag 8 der Therapie an dem man zwei Mittel bekommt, wovon das erste Fieber und das zweite Nervenreizungen hervorrufen kann. Das Zusammenwirken der beiden Mittel verursachte bei mir jedes Mal einen Fieberschub und migräneartige Kopfschmerzen, begleitet von Schüttelfrost und extrem heißen und unangenehm kribbelnden Händen und Füßen. Über die Monate wurden meine Finger und Zehen immer mehr taub und bei den letzten beiden Zyklen wurde das nervenreizende Mittel abgesetzt. Damit verschwanden auch fast alle unangenehmen Nebenwirkungen von Tag 8.

Abhängig davon wie meine Blutwerte sich in jedem Zyklus entwickelten wurde die Dosis der Chemotherapie schrittweise gesenkt. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass die Nebenwirkungen immer erträglicher wurden und ich mich schneller erholte.

Allgemein fährt einen die Chemotherapie aber auf Dauer wirklich komplett runter. Die Denk- und Konzentrationsfähigkeit ist eingeschränkt, durch die Taubheit in den Zehen kommt es zu Gleichgewichtsstörungen. Ich bin während der gesamten Therapie wann immer es mir möglich war spazieren gegangen, aber es wurde mit der Zeit immer beschwerlicher, meine Ausflüge kürzer und langsamer, mit mehr Pausen verbunden.

Circa einen Monat nach Abschluss der Therapie bin ich auf Kur gefahren. Das hat mir sehr gut getan. Das Zusammenkommen mit Menschen die die gleiche oder ähnliche Erkrankung hinter sich haben, der Wiederaufbau der eigenen Leistungsfähigkeit und damit der Aufbau des Vertrauens, dass man wieder an ein normales Leben anschließen kann. Ich habe zwei Leute mit Hodgkin Lymphom getroffen, bei denen die Erkrankung ein bzw. schon zwei Jahre zurück lagen. Der Austausch mit Ihnen war wirklich gut, der Ausblick, dass man selbst tatsächlich wieder in ein normales Leben zurückkehren kann, aber auch die Erkenntnis, dass sich die Leichtigkeit des Seins nach so einer Erkrankung besser mit Leuten leben lässt, die selbst eine schwere Erkrankung durchgemacht haben. Man muss nicht darüber reden, aber man erlebt das Leben anders, viel bewusster und freut sich über jeden Sonnenstrahl, kleine Fortschritte.

Ich stehe jetzt kurz vor dem beruflichen Wiedereinstieg, fühle mich wieder gestärkt. Allerdings ist das Leben nachher anders als vorher, ich fühle mich immer noch ein wenig aus dem Raster gerutscht. Und es gibt gerade in der Phase nach der Therapie Hochs und Tiefs, letzteres weil man nicht so einfach an das alte Leben andocken kann, weil es einfach Zeit braucht, bis man wirklich wieder seinen Platz in einem neuen „normalen“ Alltag findet. Plötzlich kommen einem so viele Dinge so unwichtig vor, die vorher noch von Bedeutung waren.

Hier noch ein paar Gedanken und eigene Erfahrungen zum Umgang mit dieser neuen Situation

Krebs. Diese Diagnose trifft einen wie einen Hammer, mitten im Leben. Diese Diagnose ist ein riesiges Stoppschild und reißt einen abrupt und bis auf weiteres komplett aus dem gewohnten Alltag raus. Trotzdem birgt die Diagnose und die Phase der Therapie auch eine Chance. Eine Chance zum Nachdenken. Die Chance einmal den gewohnten Alltag und vor allem einen Großteil der damit einhergehenden Verpflichtungen, abzustreifen. Man darf und muss sich mit sich selbst und seinen Bedürfnissen beschäftigen, mit seinem körperlichen und seelischen Heil. Das war vor allem möglich dank der starken Unterstützung durch meine Familie, die mir in dieser Zeit den Rücken frei gehalten hat.

So hart diese Diagnose ist, so sehr birgt sie auch die Chance neu zu lernen, das Leben intensiver zu leben und für die Zukunft etwas zu lernen. Sich selbst hegen und pflegen und das mit in einen neuen Alltag rein zu tragen nach der Therapie.

Man hat plötzlich wieder Zeit, viel Zeit, für Dinge für die man vorher nie Zeit gefunden hat. Wieder Bücher lesen, einfach zum Spaß, Bildbände ansehen, einfach Tagträumen.

Man lernt wieder die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen.
Speziell nach den Tagen der Therapie, wenn es einem wieder anfängt besser zu gehen. Man freut sich etwas zu schmecken, man freut sich über schönes Wetter (nicht zu schön :-), denn man muss die Sonne meiden), über liebe Freunde, die zu einem halten und genau im richtigen Moment aufmunternde Worte schicken. Man möchte an den Tagen, an denen es einem gut geht das Leben förmlich aufsaugen.

Ich habe mir viele Gedanken gemacht, was mir schmecken würde, auf was ich Lust hätte und habe das dann gekocht, oder kochen lassen und die Mahlzeiten mit meiner Familie zusammen genossen. Das hat vielfache positive Effekte, zum einen isst man und stärkt damit seinen eigenen Körper und kommt auch schneller wieder auf die Höhe, zum anderen verbringt man wertvolle Zeit mit der eigenen Familie und essen ist ein elementarer notwendiger Vorgang, der auch während der Therapie nicht wegfällt. Man ist insgesamt sehr viel eingeschränkter, in den empfohlenen Lebensmitteln, während unterschiedlicher Phasen der Therapie, durch die Mundschleimhaut, deshalb ist es gut, wenn man diesen Teil aktiv selbst mitgestaltet und damit den eigenen Bedürfnissen entgegen kommt.

Die Krankheit gibt einem viele Freiheiten. Man kann Freunden und Bekannten sagen, dass man keine Lust hat irgendwo hinzugehen, niemanden treffen möchte. Bei so einer ernsthaften Erkrankung zeigt so gut wie jeder dafür Verständnis. So kann man lernen seine Bedürfnisse auszudrücken, wo man früher des lieben Friedens willen doch zugesagt hätte, obwohl man keine Lust hatte oder einfach mal Ruhe haben wollte.



Nachfolgend noch ein paar Tipps, die sich für mich als hilfreich herausgestellt haben, um gut durch die Chemotherapie zu kommen.

Die Chemotherapie

Die Chemotherapie verändert das ganze Leben und bestimmt den Tages und Wochenrhythmus. Das eigene Befinden, das Essen, die Arztbesuche...

Zur Chemo trinke ich immer Cola, einige Patienten schwören darauf, dass es ihrer Mundschleimhaut während dieser Phase gut tut und ich habe für mich dieselbe Erfahrung gemacht, allerdings gibt es dazu geteilte Meinungen und was einem gut tut muss letztlich jeder für sich selbst austesten. Ich habe Cola und Salzstangen dabei, die helfen mir (zusätzlich zu den Medikamenten) mit der Übelkeit besser zu Recht zu kommen. So kann ich zum Beispiel morgens, wenn ich mit Übelkeit aufwache ein paar Salzstangen knabbern, danach geht es mir oft besser und ich kann später richtig frühstücken.

Noch ein Tipp für eine intakte Mundschleimhaut (neben der obligatorischen Mundspülung) ist das lutschen von Eiswürfeln während der Chemo. Sogar die Schwestern auf der Station halten Eiswürfel parat, die steril sind. Das habe ich auch ein paar Mal ausprobiert.

Ablenkung!! Musik!!

Autogenes Training. Heutzutage gibt es auf Onkologischen Stationen Psychoonkologen, die einem helfen mit der Situation zurechtzukommen, Ansprechpartner sind um über die eigenen Ängste mit jemandem außerhalb der Familie und Freunde sprechen zu können. Außerdem versuchen sie mit dem Patienten Strategien zu entwickeln Stress abzubauen und mit Ängsten umzugehen.

Nur Mut!! Du schaffst das!!

Du darfst dich scheiße fühlen!!

Genieße es umso mehr, wenn du dich gut fühlst :-) .

Man entwickelt mit der Zeit einen Rhythmus, kann einschätzen wie man sich während der unterschiedlichen Phasen eines Zyklus fühlt und kann das Leben danach ausrichten.

Die Ernährung

Ich war nach dem ersten Chemotherapie Zyklus und vor allem nach der ersten langen leukopenischen Phase stark verunsichert, was meine Ernährung angeht. Ich hatte weiterhin Appetit, aber wenn man in die leukopenische Phase kommt ist man plötzlich sehr eingeschränkt in dem, was man essen darf. Man muss sich möglichst keimarm ernähren, d.h. möglichst nur Sachen, die über 80 Grad erhitzt worden sind. Auf der Liste, die man dann ausgehändigt bekommt von Lebensmitteln die man meiden sollte und solchen die geeignet sind, steht aber viel mehr und auch Nahrungsmittel, bei denen ich mir vorher keine Gedanken gemacht hatte, z.B. Schokolade. Ich habe dann versucht im Internet oder speziellen Krebsratgebern Hilfe zu bekommen, aber das ist meist recht allgemein und etwas schwammig gehalten. Im Endeffekt gibt es noch nicht ausreichend Forschung auf diesem Gebiet.
Ganz allgemein habe ich für mich einen Weg gefunden zu großen Teilen immer noch das zu Essen, worauf ich Lust habe, aber eben bestimmte Lebensmittel wirklich komplett wegzulassen.

Beim Obst kann man sich mit Babygläschen behelfen, die sind gekocht, werden besonders geprüft und sind zusätzlich in der Regel sehr mild, was gut ist für die Mundschleimhaut. In manchen Phasen mochte ich auch den Grießbrei aus den Babygläschen.

Nüsse sollte man während der gesamten Chemotherapie ganz weglassen.
Ich war auch sehr vorsichtig, was Essen und Trinken auswärts angeht. Aufgeschäumte Milch genehmigte ich mir nur in guten Phasen, in denen ich wieder genügend Abwehr hatte.
Ansonsten achtete ich darauf, dass Gemüse und Obst stets frisch ist. Melone kann ich sehr empfehlen. Während leukopenischen Phasen ließ ich frisches Obst und Gemüse ganz weg und beschränkte mich auf gekochtes Gemüse und Babygläschen.
Bei Käse sollte man alle Schimmelkäse weglassen. Den Scheibenkäse aß ich nach dem Öffnen bis zu drei Tage, gleiches gilt für Kochschinken.
Brot fror ich mir scheibenweise ein, so dass ich immer frisches Brot hatte.

Schokolade steht zwar auf der Liste der ungeeigneten Lebensmittel in der leukopenischen Phase, aber Schokoladenpudding ist erlaubt :-) .

Es gibt ein Leben danach!

It cost me a lot of energy,
but here I am and I'm happy to be!

Vielen Dank für den Bericht an die Autorin
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