Stammzellspende

Erfahrungsbericht eines Stammzellspenders

Heiko Diehl (05. Oktober 2005)

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Alles begann im September 2001 mit einer Email eines guten Freundes, die ich beinahe sofort gelöscht hätte, da ich sie für eine dieser im Netz kursierenden Hoax-Mails hielt, in der Knochenmarkspender gesucht werden. Doch bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass es ein Aufruf der Sparkasse Langen/Hessen war, die für eine an Leukämie erkrankte Frau zusammen mit anderen Firmen in der Umgebung eine Typisierungsaktion organisiert hatte.

Auch die Typisierungskosten konnten diesmal kein Hinderungsgrund sein, mich „armer Student“ typisieren zu lassen, denn alle Kosten wurden von der Sparkasse übernommen.

Der Zufall wollte es, dass ich am Tag der Typisierung aufgrund einer Sportveranstaltung auch noch in Langen war, und so gab ich dort meine 10ml Blut ab, um mich in die Datei der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) aufnehmen zu lassen.

Wenige Wochen später kam dann die Bestätigung, dass ich in die Datei aufgenommen sei. Dies war erwartungsgemäß neben den halbjährigen Infos der DKMS das einzige, was an Post kam. Illusionen, einmal als Spender in Frage zu kommen, machte ich mir aufgrund der niedrigen Wahrscheinlichkeit keine.

Um so überraschter war ich, als ich im Frühjahr 2003 von der DKMS angeschrieben wurde, dass ich evtl. als Spender in Frage käme, hierzu jedoch weiter Blutuntersuchungen nötig wären. Beim Hausarzt wurde Blut abgenommen, ins Labor geschickt und ellenlange sechs Wochen später war meine aufkommende Hoffnung, als Spender in Frage zu kommen, wieder im Keim erstickt, denn meine Gewebemerkmale stimmten mit denen des Patienten nicht überein. Wie konnte ich auch nur glauben, dass ich es bin, der bei der gegebenen Wahrscheinlichkeit passen würde ...

So war die Aufregung, als am 14. Februar 2004 wieder ein Brief der DKMS bzgl. einer möglichen Übereinstimmung ins Haus flatterte, bei weitem nicht so groß als beim ersten mal.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit einem DKMS-Mitarbeiter ging’s wieder zur Blutabnahme, und weitere sechs Wochen später kam der erwarte Brief bzgl. der Absage - aber HALT, hier stand, dass ICH (!) der richtige Spender für den betreffenden Patienten wäre. Mein Puls war sicherlich auf 180, als ich die Nummer meiner Kontaktperson bei der DKMS wählte, um die weitere Vorgehensweise in Sachen Knochenmark- bzw. Stammzellenspende abzuklären.

Am 19. April 2004 saß ich dann schon im Flieger nach Dresden zur Spenderuntersuchung, wo ich im wahrsten Sinne des Wortes auf Herz und Nieren durchgecheckt wurde. Ultraschall, EKG, Blutuntersuchungen  etc. - Fazit: Ich war gesund, und der geplanten Stammzellenspende am 12. Mai stand nichts mehr im Wege. Auch mein einwöchiger Spanienurlaub kurz vor der Spende stellte für die Ärzte kein Problem dar, solange ich „heil“ zurückkäme.

Geschafft - gesund zurück wollte ich mit dem Spritzen des Medikaments Granocyte, das die Produktion von Stammzellen in meinen Knochen anregen soll, beginnen. Doch was war das für eine Mail in meinem Postfach. Die Spende ist ABGESAGT, dem Patienten sei aufgrund seines Gesundheitszustands keine Transplantation zuzumuten. SCHEI... , alle Vorbereitungsmaßnahmen waren umsonst, so kurz vor der vielleicht lebensrettenden Transplantation.

So gingen die Spritzen anstatt in meine Bauchdecke wieder zurück an die Uniklinik Dresden und die Flugtickets nach Dresden zurück an die DKMS.

In der Folgezeit beschäftigte ich mich immer wieder mit der Situation des Patienten. Wie geht es ihm? Bessert sich sein Zustand? Kommt es doch noch zur Spende / Transplantation?

Doch Wochen, ja sechs Monate gingen ins Land, ohne dass eine Nachricht von der DKMS kam. Dann endlich ein Anruf. „Meinem“ Patienten ginge es besser. Was nicht einmal die Ärzte für möglich gehalten hatten war eingetreten. Ein neuer Transplantationstermin wurde anberaumt.

Sollten meine Gebete doch erhört worden sein. Gebete für einen Menschen, den ich nicht kenne, der mir mittlerweile jedoch soviel bedeutete und mir so vertraut schien, wie ein Bruder oder eine Schwester. Gott sei Dank, es gab wieder eine Chance für diesen Menschen.

Doch der nächste Dämpfer ließ nicht lange auf sich warten. Wieder musste die Spende verschoben werden. Ein Infekt beim Empfänger ließ eine Transplantation nicht zu. Das emotionale Auf und Ab zehrte an meinen Nerven. Wie musste sich jedoch „mein“ Patient fühlen, für den von dieser Transplantation dessen Leben abhing?!

Als neuer Entnahmetermin wurde der 11.11.2004 festgelegt. Sollte es diesmal endlich klappen?

Das viertägige Setzen der Spritzen war kein Problem, auch die Nebenwirkungen waren zu ertragen und so saß ich am 11.11. tatsächlich im Flieger nach Dresden, wo ich aufgrund der Verspätung meines Fluges vom Entnahmeteam in der Carl Gustav Carus Universität bereits sehnsüchtig erwartet wurde.

Ehe ich mich versah, war ich an der Maschine, welche die Stammzellen aus meinem Blut filtern sollte, angeschlossen. Gute dreieinhalb Stunden später war alles vorbei. Keine Komplikationen bei der Entnahme. Das größte Problem bestand darin, sich mit den übrigen Spendern auf einen Videofilm zu einigen, der uns die Zeit vertreiben sollte.

An dieser Stelle ist nochmals ein Dankeschön an das Ärzte- und Schwesternteam der Carl Gustav Carus Uni in Dresden fällig, das die übrigen Spender und mich bestens betreute und für alle Fragen ein offenes Ohr hatte.

Die an diesem Tag gespendete Menge an Stammzellen reichte bereits aus, so dass ich am Folgetag „frei“ hatte und nicht mehr spenden musste. So kam ich zusätzlich noch in den Genuss, einen Tag mit Sightseeing in Dresden verbringen zu dürfen.

Zurück zuhause bekam ich wenige Tage später einen Anruf von der DKMS, die sich nach dem Verlauf meiner Spende und meinem Wohlergehen erkundigte. In diesem Gespräch erfuhr ich auch, dass „mein“ Patient eine Patientin ist, 40 Jahre alt ist und in den Vereinigten Staaten lebt. Nach drei Monaten würde ich erste Infos erhalten können, ob die Transplantation erfolgreich war und wie es ihr inzwischen geht.

Und tatsächlich – gut drei Monate später kam ein Brief von der DKMS.

„Ihrer“ Patientin geht es zur Zeit gut! Das waren die ersten Zeilen des Briefes, welche mich sehr erleichterten und mich dazu animierten, gleich einen Brief an „meine“ Patientin zu schreiben, um ihr weiterhin alles erdenklich Gute für ihren Genesungsweg zu wünschen.

Mittlerweile habe ich auch eine Antwort von ihr erhalten. Ihr ginge es gut, und die Stammzellen hätten zu 100% ihre Tätigkeit aufgenommen. Sie freue sich schon auf den Tag, an dem wir uns einmal treffen können. Bis dort hin ist es aber noch gut ein Jahr (Stand Oktober 2005), denn in Deutschland kann die Anonymität zwischen Empfänger und Spender erst zwei Jahre nach der Transplantation aufgehoben werden.

So heißt es also weiter Daumen drücken, dass „meine“ Patientin sich eines Tages als geheilt bezeichnen darf.

Man kann einem Menschen im Leben nichts Schöneres schenken, als die Hoffnung auf Gesundheit und Leben. Darum hoffe ich, dass ich mit meinem Bericht die Leser dazu ermutigen kann, sich typisieren zu lassen und ggf. später dann auch „Leben“ zu spenden.

Heiko Diehl

Vielen Dank für den Bericht an
Heiko Diehl