Hormonelle (endokrine) Probleme

Hormonelle (endokrine) Probleme

Hormone sind Botenstoffe des Körpers, die meist über das Blut an ihr Ziel transportiert werden. Nach einer allogenen Stammzelltransplantation sind insbesondere Schilddrüsen-Hormone, Hormone der Nebennierenrinde (Cortison) und Sexualhormone von Bedeutung. Eine Bestrahlung und eine Chemotherapie (u.a. mit Busulfan und Cyclophosphamid) können hormonelle Störungen verursachen. Eine GvHD und eine langfristige Cortison-Therapie sind Risikofaktoren.

Bei 7 – 15% der Patienten fi ndet sich im ersten Jahr eine „unterschwellige“ Schilddrüsen-Unterfunktion mit erhöhten TSH- und normalen T3,T4-Werten [TSH = Thyroidea stimulierendes Hormon (Thyroidea = Schilddrüse); T3, T4 = Schilddrüsenhormone]. Nach einer das Knochenmark zerstörenden Bestrahlung, die in einer Einmaldosis gegeben wurde, kommt es in 50% der Fälle zu einer Schilddrüsen-Unterfunktion (Hypothyreose). Wenn die gleiche Menge auf mehrere Dosen verteilt wird, beträgt die Häufigkeit nur 15%. Zeichen einer Unterfunktion der Schilddrüse sind Antriebsarmut, Verlangsamung, Kälteempfindlichkeit, Verstopfung u.a.. Eine Schilddrüsen-Unterfunktion tritt oft erst Jahre nach der Transplantation auf. Bei einer unterschwelligen Unterfunktion sollte nach 2 Monaten eine Kontrolle durchgeführt werden. Bei Einleitung einer Schilddrüsenhormon-Ersatztherapie sollten nach 6 Wochen die Schilddrüsen-Werte kontrolliert werden.

Beobachtet wurden nach einer allogenen Stammzelltransplantation auch Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und Schilddrüsen-Überfunktionen. Ganzkörperbestrahlungen und Bestrahlungen von Hals und Nacken gehen mit einer erhöhten Rate an bösartigen Veränderungen der Schilddrüse einher.

Sowohl bei Frauen (99%) als auch bei Männern (92%) sind nach einer allogenen Stammzelltransplantation Funktionsstörungen der Keimzellen sehr häufig. Das Ausmaß der Funktionsstörungen hängt vom Alter, vom Geschlecht, von der Therapie vor der allogenen Stammzelltransplantation und der Art der Konditionierung ab.

Die meisten Männer haben nach einer allogenen Stammzelltransplantation normale Testosteron-Spiegel, aber die Keimzellen sind zumeist durch die Bestrahlung und/oder Chemotherapie so stark geschädigt, dass nur noch wenige oder keine Spermien mehr gebildet werden und eine Zeugungsunfähigkeit (Unfruchtbarkeit) besteht. Das sexuelle Erleben kann dabei vollständig erhalten sein.

Bei Frauen ist die Östrogenproduktion der Eierstöcke (Ovarien) vermindert. So gut wie alle Frauen sind nach der allogenen Stammzelltransplantation hormonell gesehen in einer menopausalen Situation, vergleichbar den Wechseljahren. Für die meisten Frauen gilt, dass sich die Hormonproduktion der Eierstöcke nicht erholt. Chancen für eine Erholung der Eierstockfunktion bestehen manchmal bei sehr jungen Frauen, insbesondere wenn sie nicht bestrahlt wurden und kein Busulfan erhalten haben. Etwa 6-12 Monate nach der Stammzelltransplantation sollte eine Untersuchung durch einen Gynäkologen erfolgen. Falls keine Gegenanzeigen bestehen, sollte eine Hormonersatztherapie (HRT = hormon replacement therapy) eingeleitet werden. Dies hat positive Effekte auf das Sexualleben und auf das sexuelle Interesse, das häufig nach einer Stammzelltransplantation vermindert ist. Außerdem schützt und wirkt eine HRT gegen Osteoporose.

Eine GvHD der Scheiden-Schleimhaut kann zu Verklebungen und Narbensträngen führen. Hier können Mittel helfen, die die Scheide feucht halten.

Sowohl Männer als auch Frauen sind nach einer allogenen Stammzelltransplantation sehr häufig unfruchtbar (infertil). Sofern vor der Therapie Maßnahmen zum Erhalt der Fruchtbarkeit, wie die Tiefgefrierung von Keimzellen, getroffen wurden, besteht die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung. Ein Kinderwunsch sollte aber in der Regel nicht vor Ablauf von 2 Jahren nach der Transplantation umgesetzt werden. Spezialisierte Praxen oder Ambulanzen (Kinderwunschambulanzen) bieten Beratungen an. Dabei gilt es auch ethische und juristische Aspekte zu beachten. Über die nachsorgenden Ärzte kann man erfahren, wo in der Nähe eine geeignete Beratung durchgeführt werden kann.

In der Nebennierenrinde wird körpereigenes Cortison produziert. Unter einer Cortison-Therapie in Dosen, die deutlich über der körpereigenen Produktion liegen, wird die Eigenproduktion herunterreguliert oder eingestellt.

Nach einer länger dauernden Cortison-Therapie (> 6 Wochen) kann es unter oder nach dem Absetzen zu einer Nebennierenrindenschwäche (Nebennierenrindeninsuffizienz) kommen, die sich z.B. durch Schlappheit und Leistungsschwäche bemerkbar macht. 

Empfehlungen:

Schilddrüsenfunktionstests (Bestimmung der TSH-, T3- und T4-Werte) sollten jährlich nach einer allogenen Stammzelltransplantation durchgeführt werden, bei entsprechenden Beschwerden auch häufiger.

Bei Frauen sollte jährlich eine gynäkologische Untersuchung mit Erhebung des hormonellen Status durchgeführt werden.

Falls bei Männern Beschwerden wie z.B. vermindertes sexuelles Interesse und/oder Erektionsstörungen vorliegen, sollten das luteinisierende und das follikelstimulierende Hormon (LH und FSH) sowie Testosteron bestimmt werden. Eine Testosteron-Ersatztherapie ist auch bei einer Langzeittherapie mit Cortison zu erwägen. Falls eine Testosteron-Ersatztherapie erwogen wird, sollte zu Beginn eine Untersuchung der Prostata durchgeführt werden. Außerdem sind der PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen), die Leberenzyme und die Fett-Werte im Serum zu bestimmen.

Bei Patienten, die längerfristig Cortison erhalten haben, sollte dies nur sehr langsam reduziert werden, um der Nebenniere genügend Zeit zur Regeneration zu geben. Unter Stressbedingungen kann eine zusätzliche Cortison-Gabe erforderlich sein. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Funktionsachse „Hypophyse (Hirnanhangdrüse) - Nebennierenrinde“ zu testen.

Vielen Dank für die Bearbeitung an
Dr. med. Dipl. Psych. Andreas Mumm
Klinik für Tumorbiologie - Freiburg

Austausch mit Anderen

Besuchen Sie unsere Forenrubrik Langzeitfolgen Hormone